Wie kann Gott so etwas zulassen?

Warum sind wir in der gegenwärtigen Corona-Krise? Weshalb befällt ein kleines Virus beinahe die ganze Welt? Reißt tausende Menschen in den Tod? Warum kommt Leid durch das neuartige Corona-Virus über Millionen von Menschen? Worin steckt der tiefere Sinn hinter all dem?
Sich diese Fragen zu stellen ist dieser Tage eine häufige Reaktion. Oftmals verbunden mit dem „Wie lange noch?“. Und es ist natürlich auch in gewisser Weise berechtigt, sich diese Frage zu stellen - und sich nicht mit einem nihilistischen „Es hat doch ohnehin alles keinen Sinn“ zufrieden zu geben.

Wir Menschen suchen nach Antworten. Derzeit merken wir das aufgrund der Corona-Krise in besonderer Weise, aber diese Frage stellt sich nicht nur in dieser Krise. Die Menschheitsgeschichte ist voller Ereignisse, die uns nach dem Sinn dahinter fragen lassen. Ereignisse wie die als Schwarzer Tod bezeichnete Pandemie, die im 14. Jahrhundert geschätzte 25 Millionen Opfer[1] forderte, der Dreißigjährige Krieg, dem im 17. Jahrhundert ebenfalls mehrere Millionen Menschen zum Opfer fielen [2]. Oder der Erste und Zweite Weltkrieg im 20. Jahrhundert, die auch jeweils vielen Millionen Menschen das Leben kosteten [3,4], sowie der Holocaust mit rund 6 Millionen getöteten Juden, um nur einige wenige Beispiele quer durch die letzten Jahrhunderte zu nennen. Dem ließen sich noch unzählige weitere Katastrophen, Völkermorde, Kriege oder auch Attentate hinzufügen.

Und auch unser persönliches Leben ist voller Ereignisse, die uns ein „Warum?“ aufdrängen: Eine lange Krankheit bei uns selbst, oder bei Angehörigen. Unfälle oder Unglücke, die unser Leben stark beeinträchtigen, oder Menschen, die wir lieb haben, ganz unvermittelt aus dem Leben reißen.
Aber auch vermeintlich weniger schlimme Dinge bringen uns aus der Fassung: Der Verlust des Arbeitsplatzes, eine Ehe, die zerbricht; Kinder, die den Kontakt zu ihren Eltern abbrechen und viele weitere Dinge lassen uns um Antworten, um Halt ringen.

All diese Dinge sind schmerzhaft. Sie bringen Leid und Traurigkeit über unser Leben. Große Dunkelheit macht sich in uns breit.
Und bei all dem wird klar: Es kann und darf hierauf keine vorschnellen Antworten geben. Teilweise mögen wir vielleicht erahnen können, welche guten Dinge auch aus solchen Tragödien entstehen können. Doch meist bleibt die Frage nach dem tieferen Sinn unbeantwortet.

Menschen, die dann daherkommen und einem den Sinn hinter diesen leidvollen Erfahrungen erklären, verkennen zumeist nur wie schmerzhaft diese tatsächlich sind. Sie versuchen die Trauer mit einer simplen Erklärung einfach wegzuwischen, als wäre all dies nicht so schlimm, weil es ja eine (einfache) Erklärung für alles gibt. Hilfreich ist das selten.

Und dennoch stellen wir uns diese Frage nach Sinn und Zweck hinter persönlichem Leid oder globalen Krisen. Daran sehen wir, dass wir im Grunde davon ausgehen, dass diese Dinge einen tieferen Zusammenhang, ja einen echten Sinn, haben. Deshalb kommen diese Fragen in uns auf.

Ich habe bereits aufgezeigt, dass die Antwort auf diese Fragen allerdings den Schmerz meist nicht mindert, ihn eher kleinredet.

Stattdessen sollten wir einen alternativen, ja einen besseren Umgang mit diesen Fragen pflegen.
Er zeigt sich uns, zum Beispiel, wenn wir in der Bibel in das Buch des Propheten Habakuk blicken. Auch wenn er sich in einer anderen Situation befand, so sehen wir doch, dass auch Habakuk die Frage nach dem Warum stellt: Warum lässt du mich Bosheit sehen und siehst dem Unheil zu (Habakuk 1,3).
Diese Frage richtet er an Gott. Er schreit sie aus seinem Leid heraus zu ihm. Er ringt mit Gott. Fragt nach Antworten. Und Gott reagiert schließlich darauf. Er antwortet Habakuk, begegnet ihm.

Wir lesen nichts davon, dass Gott eine einfache Antwort auf die Warum-Frage gibt. Doch macht er in seiner Reaktion auf Habakuks Klage klar, dass er, der allmächtige Gott, über allem steht, dass ihm nichts entgeht und, dass er noch Pläne hat, die er auch ausführen wird.

Als Menschen fordert uns das zunächst heraus, anzuerkennen, dass wir begrenzt sind in unserem Verständnis. Gott kennt Sinn und Zweck. Doch meist teilt er uns diesen nicht mit. Er gibt uns etwas viel besseres als Antworten auf unsere Warum-Fragen. Er lädt uns ein, ihm zu vertrauen, unseren Halt und unsere Ruhe in ihm zu finden.

Doch wie sollte ich einem Gott vertrauen, der all dieses Leid zulässt? Der wie ein ferner Gott scheint, den es nicht im Geringsten interessiert, wie es mir geht?

Gott offenbart sich uns in der Bibel ganz anders. Er ist kein unnahbares, fernes Wesen. Wir sehen stattdessen, wie er sich mit unserem Leiden identifiziert. Er sieht nicht einfach zu. Unser Zustand ist ihm ganz und gar nicht egal!

Er selbst wurde Mensch: In Jesus Christus, dem Sohn Gottes. Er lebte als Mensch, so wie du und ich. Er empfand genauso Hunger, Schmerz und Leid.
Jesus selbst trauerte mit den Menschen und weinte, z.B. als der geliebte Freund Lazarus starb. Und das alles, wo er doch wusste, dass er ihn wiederum auferwecken wird (siehe Johannes 11)!

Das Zentrum des christlichen Glaubens steht dafür, dass er selbst Unerträgliches erlitt: Er starb am Kreuz. Und wenn der Mensch, der da am Kreuz hing, der Sohn Gottes war, dann bedeutet das, dass Gott nicht aus der Ferne zusieht, sondern selbst Teil am menschlichen Leid hat. Er selbst hat in schrecklichem Maße gelitten und starb qualvoll. Er weiß, was es bedeutet, zu leiden.

Ein Gott, der sich auf diese Weise erniedrigt hat und weiß, was es bedeutet, zu leiden, der dieses Leid sogar freiwillig getragen hat. Diesem Gott kann man definitiv vertrauen. Er fühlt mit uns in unserer Not.

Ja, er mutet uns so manches Leid, so manchen Schmerz, manche Traurigkeit zu. So auch diese Corona-Krise. Und ja, dabei bleiben Fragen offen! Aber er reicht uns in dieser Not seine Hand, damit wir sie ergreifen können. Er steht mit offenen Armen da, damit wir uns im Glauben an ihn in seine Arme werfen können. Sein Trost ist größer als unser Schmerz.
Nur wenn wir Gottes Hand ergreifen, unser Vertrauen auf ihn setzen, nur dann werden am Ende schließlich alle Dinge Sinn ergeben.

Dieser Artikel ist zuerst erschienen auf https://facingcorona.de/wie-kann-gott-so-etwas-zulassen/

-- Micha Müller